Neue Ideen für die Seniorenbetreuung

Neue Ideen für die Betreuungsarbeit

Ein Text zum Nachdenken
Ein andermal
Bewahre mich vor der Beschäftigungstherapeutin, o Herr !
Sie meint es gut, aber ich habe keine Zeit, um Körbe zu flechten.
Einen Tag möchte ich noch einmal erleben, den Julitag,
an dem Hans und ich Beeren sammeln gegangen sind.
Ich war 18. Mein Haar war lang und dicht.
Und ich flocht es zu einem Zopf, den ich mir um den Kopf wand,
damit es sich nicht im Dornengestrüpp verfing.
Aber als wir uns zur Rast in den Schatten setzten,
lies ich es herunter, und es fiel mir auf die Schultern.
Und da machte Franz mir einen Antrag.
Vielleicht war es ein bisschen ungehörig von mir,
ihn so mit meinem Haar verliebt zu machen -
aber wir haben eine gute Ehe geführt....

Aha, da kommt sie, die Therapeutin, mit Schere und Klebstoff.
Ob ich es mit Bastelarbeiten versuchen möchte.
"Nein", sage ich, "ich habe keine Zeit."
"Unsinn", sagt sie, "Sie werden noch sehr, sehr lange leben."
Das meine ich nicht.
Ich meine, dass ich mein Leben lang viel getan habe,
für andere, mit anderen. Ich muss einiges nachholen
in meinem Denken und Fühlen.
Zum Beispiel, was den Tod von Hans betrifft.
Kurz vor dem Ende fragte ich ihn, ob ich etwas für ihn tun könne...
"Ja", sagte er, "löse dein Haar."
Ich sagte: "Ach Hans, das ist jetzt dünn und grau."
"Bitte", sagte er, "löse es trotzdem."
Ich tat es, und er streckte seine Hand aus -
die durchsichtige Haut - man sah die blauen Adern -
und streichelte mein Haar.
Wenn ich die Augen schließe, kann ich es fühlen. Hans.

"Machen sie bitte ihre Augen auf", sagt die Therapeutin.
"Sie wollen doch nicht den ganzen Tag verschlafen."
Sie will wissen, was ich früher gemacht habe, stricken, häkeln?
Ja, ich habe das alles gemacht.
Und gekocht und geputzt.
Und fünf Kinder großgezogen.
Und alles mögliche erlebt -
Schönes und Schreckliches.
Ich muss über diese Dinge nachdenken,
muss sie in den Fächern meines Geistes ordnen.
Die Therapeutin zeigt mir glitzernde Perlen.
Sie fragt mich, ob ich vielleicht Schmuck machen möchte.
Und weil sie ein gutes Kind ist und es gut meint,
sage ich ja, vielleicht,
ein andermal.


aus: http://www.pflegeboard.de/altenpflege/27149-andermal.html (bearbeitet von Volker Gehlert)
Setzen Sie gedanklich statt „Therapeutin“ das Wort „Betreuungsassistentin“ ein!

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Ein andermal
Ein andermal Text Aktivierung.pdf (49.27KB)
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